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„Projekt Fördernde Gruppenkultur“ mit überzeugender Schlussbilanz

Datum : 24.08.2021

Kurzbeschreibung: Baden-Württemberg Stiftung förderte 6 Jahre Modellprojekt von JVA Adelsheim und Christlichem Jugenddorfwerk

Adelsheim. (bd) Im Frühjahr 2015 hatte das Modellprojekt „fördernde Gruppenkultur“ in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Adelsheim seine Arbeit aufgenommen, zum Monatsende läuft es aus. Anstaltsleiterin Katja Fritsche und CJD-Projektleiter Georg Horneber zogen nun vor zahlreichen Mitwirkenden, Förderern und Gästen eine überaus positive Schlussbilanz. Wie lange erhofft konnten in einer Feierstunde und einen kleinen Abschluss-Symposium in hybrider Form 30 Gäste in Präsenz teilnehmen und so ein würdiger Schlusspunkt nach 6 erfolg- und erkenntnisreichen Jahren gesetzt werden.

Projekt Fördernde Gruppenkultur

Anstaltsleiterin Fritsche begrüßte herzlich Ministerialdirigent Martin Finckh und Territorialreferentin Dr. Natalia Sterz vom Justizministerium Baden – Württemberg, Birgit Pfitzenmaier, Leiterin der Abteilung ‚Gesellschaft und Kultur‘ sowie ihren Kollegen Sven Walter von der Baden-Württemberg Stiftung, Nico Gerling und Dagmar Köller vom Christlichen Jugenddorfwerk sowie Maida Dietlein, langjährige stellvertretende Anstaltsleiterin des Jugendgefängnisses und Projektverantwortliche. Neben Professor Dr. Christian Schrapper von der Universität Koblenz und Dr. Jürgen Thomas vom kriminologischen Dienst Baden-Württemberg galt ihr Gruß dem Anstaltsbeirat der JVA mit Ralph Gaukel, Bürgermeister Wolfram Bernhardt und Eva-Maria Grimm sowie den im Projekt tätigen Kolleginnen und Kollegen der JVA, die „pädagogische Pionierarbeit im Jugendvollzug“ geleistet hätten.

Seit 2015 wurde mit jungen Strafgefangenen daran gearbeitet, in einem Hafthaus des geschlossenen Vollzugs eine „positive peer culture“ nach Dr. Larry Brendtro aufzubauen. Ziel war, die Jugendlichen in den Haftwohngruppen anzuleiten, sich respektvoll miteinander auseinanderzusetzen und ihre Konflikte gewaltfrei zu lösen. Soziales Lernen und das Erzeugen einer Kultur gegenseitiger Wertschätzung und Achtung waren Weg und Ziel zugleich um negativen subkulturellen Einflüsse der Jugendlichen untereinander so weit wie möglich entgegen zu wirken. „Respekt als Antwort und Prinzip“ (RAP) lautete die Grunddevise im Umgang mit herausforderndem Verhalten. Junge Menschen, auch solche die Anstrengungen verursachten, sollten in Verantwortung gebracht werden um positive persönliche Entwicklung zu ermöglichen und zu stabilisieren. 

Birgit Pfitzenmaier sprach in ihrem Grußwort von 6 erfolgreichen Jahren und gut angelegtem Geld, mit dem man gern neue Wege im Jugendstrafvollzug ermöglicht habe, die man auch in weiteren Projekten unterstütze. Sie verdeutlichte, dass die Landesstiftung seit 2003 für Kriminalprävention im Land 14 Millionen Euro entsprechend ihrem Satzungszweck investiert habe.

Nico Gerling schilderte seitens des Christlichen Jugenddorfwerks wie sich über 6 Jahre hinweg zwei eigentlich gegenläufige Systeme aufeinander zubewegt hätten – die „hierachischen Knaststrukturen“ und die „positive peer culture“. Die entstehende Reibung habe auch Energie gekostet, das Zusammenwirken sei aber gleichwohl gelungen und haben wichtige positive Effekte hervorgebracht.

Ministerialdirigent Finckh überbrachte die Grüße der neuen Justizministerin und kündigte einen baldigen Besuch von Marion Gentges an. Er sah im PPC-Projekt eine gelungene Umsetzung des aus der Würde des Menschen resultierenden Resozialisierungsanspruchs, mit dem es gelungen sei die Gewaltproblematik deutlich zu reduzieren und wichtige Impulse für gelingende Reintegrationsprozesse zu geben.

Danach hatten die unmittelbaren Akteure das Wort und Jessica Heffner und Cora Kern, die für das CJD als Gruppenprozessverantwortliche vor Ort über 6 Jahre mit Hauskonferenzleiterin Kristina Holderbach, Psychologin Sandra Stadtler-Schulz und dem AVD-Team um Steffen Volk das Projekt prägten, berichteten von nahezu 300 Teilnehmern und der elementaren Bedeutung täglicher Beziehungsarbeit. Welch beeindruckenden Resultate diese im Erfolgsfall hervorbringt wurde im Beitrag von Samuel K. deutlich, der einige Wochen nach seiner Entlassung freiwillig in die JVA zurückkam, um seine Erfahrungen zu schildern und sich für die ihm durch „ppc“ gegebenen Entwicklungsmöglichkeiten mit bewegenden Worten zu bedanken.

Aus wissenschaftlicher Sicht bewerteten Dr. Jürgen Thomas vor Ort und Professor Dr. Christian Schrapper per Video-Schalte das Projekt, die in der Evaluation festgehaltenen differenzierte Eindrücke und Erkenntnisse bestätigten den Erfolg. Zwei zentrale Elemente des Wohngruppenvollzugs seien im Hafthaus E1 mit dem Projekt PPC einem Praxistest unterzogen worden: mehr Ressourcen, vor allem Personalressourcen, sowie viele gruppenorientierte Angebote, also viel Gemeinschaft, sollten zu einem friedlicheren und toleranteren Umgang untereinander führen. Thomas stellte fest: „Dieses Ziel wurde erreicht: Mit den bisher gezeigten empirischen Entwicklungen konnte gezeigt werden, dass alle gemessenen Indikatoren für Gewalt und soziale Auffälligkeit während der Projektphase im E1 teilweise deutlich zurückgegangen sind. Nun konnte auch im geschlossenen Vollzug gezeigt werden, dass mit einer ausgewählten Gefängnispopulation mit Einsatz von Personal, Ressourcen und Einbindungen, die Gewalt und die Auffälligkeiten deutlich reduziert werden konnten.“ Und Schrapper resümierte: „Warum nicht mehr davon?“

Georg Horneber nutzte die überzeugende Schlussbilanz um Politik und Justizverantwortliche aufzufordern „mehr von dem“ zu ermöglichen und zu realisieren, bevor er den Kooperationspartnern Landesstiftung und JVA sowie allen am Projekt mitwirkenden Akteuer*innen namentlich dankte. Für diese hatte Katja Fritsche Sonnenblumen aus der Lehrschreinerei als Geschenk parat, mit denen sie zum Gruppenbild bat. Sie betonte, dass diese Blumen symbolisch für die Strahlkraft des einzigartigen und rundum gelungenen Wohngruppenprojekts stünden, das seine Spuren hinterlasse und weiterwirke. Die Idee und die vielfältigen Erfahrungen mit „ppc“ würden in 2 neuen Projekten aufgegriffen, die zeitnah in der JVA Adelsheim starten werden.

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