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Demokratiewerbung hinter Mauern
Datum : 09.10.2025
Kurzbeschreibung: Landtagspräsidentin Aras diskutiert in JVA Adelsheim.
Landtagspräsidentin Aras diskutiert in JVA Adelsheim. (Foto: Brauch-Dylla)
Demokratiegespräch in ungewöhnlichem Rahmen
Adelsheim. (bd) Demokratie wird normalerweise in Klassenzimmern, Rathäusern oder auf Podien vermittelt. In der vergangenen Woche
jedoch fand der Dialog an einem besonderen Ort statt: in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim. Dort sprach Landtagspräsidentin Muhterem
Aras über Chancen, Regeln und Verantwortung. 15 junge Strafgefangene, die als Stockwerks- oder Anstaltssprecher gewählt wurden,
nutzten die Gelegenheit zum Austausch mit einer der ranghöchsten Politikerinnen Baden-Württembergs.
Signalwirkung des Besuchs
JVA-Leiterin Katja Fritsche begrüßte die Landtagspräsidentin herzlich und betonte die Bedeutung des Termins. Demokratie
dürfe nicht an Gefängnismauern enden, sagte sie. Die Einladung war vom Anstaltsbeirat ausgegangen, dessen Vorsitzender Ralph
Gaukel gemeinsam mit Bürgermeister Wolfram Bernhardt am Gespräch teilnahm. Bernhardt hatte zuvor mit der Insassenvertretung
über den Sinn von Demokratie gesprochen und das Thema an Aras herangetragen. Dazu nutzte er den Festakt zum Stadtjubiläum im
Juli, um die Politikerin einzuladen. Muhterem Aras hatte gerne zugesagt, und war nun eigens nach Adelsheim gekommen, um hinter Mauern
für Demokratie zu werben
Bildung als Schlüssel
Vor der Diskussion informierte sich Aras bei Schulleiter Jochen Knühl über das Bildungsangebot der Anstaltsschule. Dieses reicht
vom Nachholen von Schulabschlüssen bis zu Förderprogrammen, die den Weg in Ausbildung und Arbeit ebnen sollen.
Regeln der Demokratie
Im Gespräch mit den Insassensprechern erklärte Aras ihre Rolle als „Schiedsrichterin der Demokratie“. Wie im
Fußball sei auch in der Politik Leidenschaft wichtig, doch ohne Regeln funktioniere kein Spiel. Mit dieser Metapher schaffte sie einen
direkten Zugang zu den jungen Männern.
Persönliche Geschichte
Offen berichtete Aras von ihrer Herkunft: aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Ostanatolien ohne Strom und fließendes Wasser, kam sie
mit zwölf Jahren nach Deutschland. Ihre Mutter, selbst Analphabetin, habe großen Wert auf Bildung gelegt. So sei aus der Tochter
einer Arbeiterfamilie über Hauptschule, Abitur und Studium schließlich die Präsidentin des Landtags geworden.
Motivation für die Politik
Auf die Frage, warum sie sich politisch engagierte und warum bei den Grünen, erzählte Aras von fremdenfeindlichen Anschlägen
in den 1990er Jahren. Sie habe der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen. Ausschlaggebend für die Grünen sei deren Einsatz
für Gleichberechtigung und Minderheitenschutz gewesen.
Herausforderungen des Amtes
Aras verschwieg nicht die Schattenseiten ihres Amtes. Sie berichtete von Anfeindungen bis hin zu Hasskampagnen, die auch Personenschutz
für ihre Familie erforderlich machten. Demokratie, so wurde deutlich, sei kein abstraktes Prinzip, sondern müsse täglich
verteidigt werden.
Auseinandersetzung mit Demokratie
Wie Insassen im Projekt „ReSo“ über Demokratie reflektieren, stellte Projektmitarbeiter Stefan Bautz vor. Plakate mit
ihren Sichtweisen gaben Denkanstöße für die Diskussion. Die jungen Männer stellten dabei kritische Fragen zu
internationalen Konflikten, sozialem Zusammenhalt und Frieden. Aras betonte, dass dies dieselben Fragen seien, die sie auch außerhalb
der Gefängnismauern erhalte.
Bedeutung des Ehrenamts
Zum Abschluss hoben sowohl Aras als auch Gaukel die Rolle des Ehrenamts hervor. Gesellschaftlicher Zusammenhalt sei ohne freiwilliges
Engagement nicht denkbar. Aras ermutigte die Jugendlichen ausdrücklich, nach ihrer Entlassung Verantwortung zu übernehmen und
Chancen wahrzunehmen.
Projekt „Your Future“
Zum Ende ihres Besuchs informierte sich Aras im Hafthaus G1 über das Projekt „Your Future“. Hier arbeiten Insassen,
Fachkräfte und Beamte gemeinsam an Strukturen zur Suchtprävention und Verantwortungsübernahme. Der Ansatz beeindruckte die
Landtagspräsidentin ebenso wie die Ernsthaftigkeit und Disziplin der Jugendlichen.
Fazit
Aras zeigte sich tief beeindruckt von der Atmosphäre und dem Engagement in der JVA Adelsheim. Für die Anstaltsleitung und den
Beirat war der Tag ein starkes Zeichen: Demokratie lebt vom Dialog, vom Respekt und vom Zuhören – Werte, die auch hinter
Gefängnismauern gelten müssen.
