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Nach 43 Jahren Sozialarbeit im Jugendstrafvollzug:Uli Waschek im Ruhestand

Datum : 06.09.2023

Kurzbeschreibung: Großes Spektrum pädagogischer Arbeit geleistet

Adelsheim. bd. Bereits in seiner letzten Anstaltskonferenz im Mai war Amtsrat Uli Waschek vor den Führungskräften der Justizvollzugsanstalt und seinen Fachdienstkolleg*innen gewürdigt worden, zum Monatswechsel erhielt er nun aus den Händen von Anstaltsleiterin Katja Fritsche die Ruhestandsurkunde und tauschte nach fast 43 Jahren im Jugendstrafvollzug seinen Dienst- gegen den Pensionärsausweis.

Verabschiedung Uli Waschek
Das Bild zeigt vlnr: Personalratsmitglied Sebastian Fuchs, Geschäftsführenden Sozialarbeiter Torsten Slomka, Anstaltsleiterin Katja Fritsche, Uli Waschek, Verwaltungsleiter Klaus Brauch-Dylla

Am 01.10.1980 begann Waschek das duale Studium der Sozialpädagogik, die zugehörigen Praxisphasen leistete er in der JVA Adelsheim, die Vorlesungen besuchte er in der Stuttgarter Berufsakademie. Nach erfolgreichem Studienabschluss im Herbst 1983 wurde er in seiner Ausbildungsanstalt übernommen, zunächst als Angestellter, ab Oktober 1984 als Sozialinspektor im Beamtenverhältnis. Vieles erinnerungswürdiges konnte Waschek aus 80er und 90er Jahren schildern, für das er Verantwortung trug, insbesondere für Sport-, Erlebnis- und Gedenkstättenpädagogik. Sechs Mal habe man mit Insassengruppen an Veranstaltungen und Camps in der KZ-Gedenkstätte Dachau teilgenommen und Bewusstseinsarbeit geleistet. Erlebnispädagogische Maßnahmen, Sportschulbesuche und Teilnahme an Sportturnieren mit Insassengruppen seien regelmäßige Highlights gewesen. Für solche Aufgaben war Waschek mit der Hälfte seines Deputats beauftragt, Sozialarbeit im Unterkunftsbereich leistete er zunächst im Regelvollzug, bald im intern gelockerten Bereich und ab Ende der 80er Jahre im Haus G 3, zu dessen Hauskonferenzleiter er bestellt wurde und das bis zu seiner Pensionierung seine Heimat war. Im G 3, einem Mitte der 80er Jahre errichteten Holzgebäude für eine Wohngruppe von maximal 15 Insassen, wurde ab Mitte der 90er Jahre mit der Implementierung des wissenschaftlich begleiteten „Just Community“-Projekts („gerechte Gemeinschaft“ nach Lawrence Kohlberg) Vollzugsgeschichte geschrieben, bei der Waschek ein zentraler Akteur war. Das bundesweit beachtete, bis heute existente Projekt, über das u.a. der „Spiegel“ unter dem Titel „Gruppendynamische Knast-WG“ berichtete, brach mit vielen gängigen Gefängnis-Abläufen und versuchte im Strafvollzug einen Spielraum für substantielle demokratische Partizipation zu schaffen, die zugleich „moralisches Wachstum“ bei den Teilnehmenden stimulieren soll. Die jungen Männer haben in ihrem Haus die Möglichkeit Konflikte aller Art, die unterhalb der Schwelle strafrechtlicher Sanktionierung liegen, nach selbstgesetzten Verfahren zu bearbeiten. Zu diesem Zweck hatte die Anstaltsleitung einen Teil ihrer Sanktionshoheit auf Zeit zur Disposition gestellt. Das Regelwerk, innerhalb dessen die Jugendlichen ihre Konflikte bearbeiten, umfasst eine einmal in der Woche stattfindende Hausversammlung, die aus ihrer Mitte ein Leitungskomitee und im Fall der nötigen Vermittlung bei gravierenden Disziplinarfällen ein „Fairneßkomitee“ wählt. An dieser Hausversammlung sind nicht nur die Strafgefangenen, sondern auch der Sozialarbeiter und die Vollzugsbeamten mit gleichem Sitz und gleicher Stimme beteiligt und gehalten, sich an die dort ergangenen Beschlüsse zu halten. In diesem Rahmen wird darüber beraten, wer wann welche häuslichen Pflichten zu erledigen hat, wie jemand sanktioniert werden soll, der seinen Abwasch nicht gemacht, den Kühlschrank unsachgemäß genutzt hat oder zu wichtigen Treffen regelmäßig zu spät gekommen ist – Konfliktanlässe, die auch im täglichen Leben in Freiheit virulent werden, unter den beengten Bedingungen der totalen Institution Gefängnis jedoch von besonderer Brisanz sind. Das über 5 Jahre lang wöchentlich durch das Erziehungswissenschaftliche Seminar der Universität Heidelberg von Prof. Dr. Micha Brumlik wissenschaftlich begleitete und von Dr Hansjörg Sutter ausgewertete Projekt belegte, dass die Einführung demokratischer Mitbestimmungsrechte moralische Lern- und Entwicklungsprozesse auch unter den repressiven Bedingungen des Strafvollzugs ermöglichen kann, zeigte aber auch, dass dem viele institutionelle und subkulturelle Bedingungen des Gefängnisalltags entgegen stehen.

Im letzten Jahrzehnt, nachdem er den Sportbereich in jüngere Hände gegeben hatte, war Waschek dann selbst mit der Hälfte seiner Arbeitskraft für den Kriminologischen Dienst zur wissenschaftlichen Evaluation des Jugendstrafvollzugs im Land tätig.
In seinem persönlichen Rückblick beschrieb Waschek, der 2016 zum Amtsrat und damit in das Spitzenamt seiner Laufbahn befördert worden war, die gravierendsten Veränderungen über die Jahrzehnte. Die ersten Jahre seien geprägt gewesen durch eine deutlich größere Nähe zu den Jugendstrafgefangenen, gemeinsame Unternehmungen und Erlebnisse hätten Zugang ermöglicht, auch durch altersmäßig überschneidende Interessen. „Wir sind gealtert, die Jungs bleiben immer gleich alt und man nutzt sich auch ab“ hielt er nüchtern und doch zufrieden fest; er sei Zeit zu gehen.

„Uli Waschek hat sich als Pionier des Wohngruppenvollzugs verdient um den baden-württembergischen Jugendvollzug gemacht und gehörte zu den Sozialarbeitern, für die der Beruf des "Sozialdienstes" nicht nur eine Bezeichnung ist.“ würdigte Anstaltsleitern Katja Fritsche den ausscheidenden Mitarbeiter. Er habe sich mit der sozialen Arbeit hinter Gittern identifiziert und diese herausfordernde Aufgabe mit Leben gefüllt. „Herr Waschek war nicht nur entscheidend prägend für die "Just Community" Wohngemeinschaft, er war auch Jahrzehnte als sportlicher Leiter vor allem im Fußball engagiert und führte die Insassenmannschaften zu vielen Turnieren und Siegen.“ dankte sie für eine beeindruckende Lebensleistung, „die Gedenkstättenarbeit greifen wir aktuell mit der KZ-Gedenkstätte Neckarelz wieder auf“ schlug sie einen Bogen in die Gegenwart. Und Fritsche freute sich, dass der Name Waschek in der Anstalt weiter präsent bleibe, da Sohn Manuel seit 10 Jahren in der Anstaltsschule unterrichte. Für das Pensionärsdasein wünschte sie gute Gesundheit und viel Freude mit seiner neu gewonnenen und bisher ungewohnten Freiheit, insbesondere auch als Enkelbetreuer, sowie einen weiteren Siegeszug des SC Freiburg, dessen glühender Anhänger Uli Waschek seit Jahrzehnten ist, als dessen Jahrhunderttrainer Volker Finke 1994 die Adelsheimer JVA besuchte.

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