Suchfunktion

Viel(e) Leben auf der Theaterbühne: Von Schicksal und Schuld, Ehrlichkeit und Freundschaft

Datum : 07.05.2025

Kurzbeschreibung: Erneut Theater hinter Gittern in Adelsheimer JVA

Erneut Theater hinter Gittern in Adelsheimer JVA

Adelsheim.bd. Goethe war nun auch in Adelsheims JVA - zumindest incognito in Form seines Gedichts “Nur wer die Sehnsucht kennt” (weiß was ich leide). Alex, einer der Protagonisten des Stückes “Für das Leben”, das fünf Insassen der Adelsheimer Jugendstrafanstalt unter der Regie des Theaters Konstanz in der vergangenen Woche aufführten, zitiert das Poem, als er gefragt wird, was für Songtexte er denn schreibe. Ganz unterschiedliche Lebenswirklichkeiten wurden den Zuschauern, darunter zahlreiche Angehörige der Mitwirkenden, aber auch Vertreter von Justizbehörden, auf der “Bühne” im Mehrzweckraum der JVA präsentiert.

Gefördert von der Baden-Württemberg-Stiftung hatten 6 Jugendstrafgefangene gemeinsam mit Amelie Wördehoff und Annette Vietor vom Projektteam „Theater hinter Gittern“ des Theaters Konstanz seit Anfang des Jahres ein Stück entwickelt, dass sich mit Themen Schuld, unerwarteten Schicksalsschlägen und Lebensglück beschäftigt. 

In den Eingangsszenen ist da zunächst Alex, der durch einen Schicksalsschlag sein Augenlicht verloren hat und nach neuen Wegen im Leben sucht. Diese findet er in Musik und Songschreiben, er steht vor seinem ersten großen Konzert mit seiner Band. Alex’ Lebensmut und -zufriedenheit bewundern Bandkollege Jonas und Tom, zwei Bio-Laden Betreiber. Die leben ihren Berufsalltag und unterstützen ein paar Geflüchtete, denen sie hin und wieder Obst und Gemüse bereitstellen. Nino und Emir sind über das Meer nach Deutschland gekommen, Gesichter der “irregulären Migration”, sie teilen ein gemeinsames traumatisches Erlebnis: als sie vom Strand aus auf die Fluten blicken, sieht Emir einen Menschen in den Wellen kämpfen. Er selbst kann nicht schwimmen, fordert aber Nino auf, den Ertrinkenden zu retten. Doch Nino wartet ab und zögert, er fürchtet das Aufsehen und von der Fremdenpolizei aufgegriffen und abgeschoben zu werden. Das Warten dauert zu lange, die Wellen verschlingen den Schwimmer, Emir ist empört und bricht mit Nino, der mit seinen Schuldgefühlen leben muss.

Im viermonatigen Probenprozess und der Stückentwicklung wurden Texte geschrieben, Szenen entwickelt und der künstlerische Einsatz von Stimme und Bewegung gelernt - mit gutem Erfolg, die Akteure sind sicher und prägnant in ihren Rollen.

Auf einer Bank im Park treffen schließlich Alex und Nino aufeinander und kommen freundschaftlich ins Gespräch, über ihr Schicksal, über ihre Verluste, Wünsche und Hoffnungen. Alex lädt Nino zu seinem Konzert ins “Planet Earth” ein. Doch bevor es soweit ist, findet Nino, etwas unvermittelt und zufällig, unter jener Parkbank eine Plastiktüte mit einem großen Bündel Geld. Steht ihm, dem “Illegalen“, jetzt ein neues Leben offen? Als Auserwählter, dem ein Wunder zuteil geworden ist; als Ausgleich für viel Leid im bisherigen Leben? 

Er beginnt zu träumen, was er mit dem Geld alles anstellen könnte - das Geld zu seiner Familie schicken, sich eine eigene Wohnung leisten, sich teure Markenkleider kaufen, ein Auto… Oder anderen Gutes tun, einen Teil vom Geld mit seinem “Freund” Emir teilen? Doch dieser will kein „schmutziges Geld“. Emir fordert Nino auf, das Geld zum Fundbüro zu bringen, die Bioladen-Verkäufer Jonas und Tom bieten Nino dorthin zu begleiten und Finderlohn einzufordern. Die drei ziehen von dannen und machen sich auf den Weg, ob sie im Fundbüro ankommen?

Darüber können die ZuschauerInnen während des Konzertes von Alex’ Band “prison time” nachdenken. Ein guter Gig, mit dem auch die 7 - köpfige Knastband organisch ins Stück integriert wird. Die von Anstaltsseelsorger Martin Reiland und Christel Peschke im Ehrenamt angeleitete Coverband genießt ihren Auftritt, mit kleiner Lightshow und Disco - Kugel. Und “Mad World” als Opener und zugleich Kommentar zum Bühnen- und Weltgeschehen.

Zur Zugabe trifft dann auch Nino ein, mit schickem Bling-Bling Outfit und Poser - Kette.

Ob aus dem Finderlohn oder dem Fund erworben bleibt offen. Er feiert mit den anderen, Emir hält sich abseits. 

Wie diese Leben weitergehen bleibt der Phantasie der begeistert applaudierenden Gäste überlassen. Die strahlenden Schauspieler dankten ebenso wie Anstaltsleiterin Katja Fritsche den Macherinnen vom Theater Konstanz (neben Amelie Wördehoff und Annette Vietor auch Magdalene Schäfer und Franziska Schmid) und dem Freizeitteam der JVA, Tamara Scherer, Carmen Bronner und Sven Speth.

Fußleiste