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Insassen der JVA verschönern graue Wände mit Graffiti

Datum : 12.08.2024

Kurzbeschreibung: In vier Tagen gestaltet die Gruppe mit Künstlern die Wände in "Haus Q" um. Das Projekt soll Zukunft haben.

Wände mit Graffiti
Pädagogin Anna Frieda Porrmann (l.) sowie die Künstler Clara (3. v. l.) und Jannis (3.v. r.) haben mit Insassen der JVA Adelsheim ein Graffiti-Projekt veranstaltet. Foto: Dominik Rechner

Adelsheim. Meterhohe, graue Mauern, schwere Metalltüren, kleine Zimmer und triste Aufenthaltsräume, wenig Abwechslung und Spaß: Der Alltag in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Adelsheim für die Jugendlichen und Heranwachsenden, die dort ihre Haftstrafe verbüßen, ist meist grau und eintönig.

In der vergangenen Woche war das aber zumindest für acht Insassen im Alter von 16 bis 23 Jahren mal ganz anders: Es kam Farbe ins Leben der jungen Gefangenen – dank eines coolen Graffiti-Projekts, das Pädagogin Anna Frieda Porrmann organisiert hatte und mit den Künstlern Jannis und Clara (Künstlername: Clarafosca) veranstaltet wurde.

Wand mit Graffiti
Die kahlen Wände des Sozialraums in „Haus Q“ wurden aufgewertet. Foto: Dominik Rechner

Das Graffiti-Projekt ist Teil des Projekts "Stabil" der JVA Adelsheim. Der Name soll für Stabilität stehen. Stabilität, welche die Jugendlichen, die an dem Programm teilnehmen, noch weniger haben als andere Insassen der JVA Adelsheim. Stabilität, die sie aber wieder bekommen sollen. Denn sie sind Teil des "Haus Q", wo Gefangene mit psychischen Auffälligkeiten (Diagnosen) untergebracht sind. "Sie brauchen eine besondere Begleitung", erklärt Pädagogin Anna Frieda Porrmann. Im Rahmen von "Stabil" organisiert sie immer wieder besondere Aktionen für die jungen Insassen. Dass ihre Wahl für das Graffiti-Projekt auf die Künstler Jannis, der aus der Region stammt, und dessen spanische Partnerin Clara fiel, war naheliegend, obwohl die beiden auf Bali zu Hause und auch sonst viel im europäischen Ausland unterwegs sind. "Wir kennen uns. Sie haben dort schon einige solcher Projekte gemacht", sagt Porrmann.

Innerhalb von nur vier Tagen wurde aus den kahlen Wänden des Sozialraums in "Haus Q" ein Schmuckstück der JVA Adelsheim. Neben dem Graffiti konnten die acht Jungs auch ihr eigenes T-Shirt mit ihrem Künstlernamen und Symbolen, die sie repräsentieren, kreieren. Als Motiv für das große Graffiti hatten die Künstler "ein Bild mit einem paradiesischen Touch" ausgewählt, wie es Jannis formuliert. "Wir wollten ein Bild, das eine gute Stimmung, ein gutes Gefühl ausstrahlt – mit Landschaft, Natur, Entspannung", verdeutlicht Clara.

Darauf zu sehen sind das Meer, blauer Himmel und ein paar Wolken, exotische Pflanzen, ein paar Möwen und der Schriftzug "Yeah", den sich die Jungs ausgedacht haben. Das kleine Graffiti zeigt einen kultigen VW-Bus mit der Überschrift "Stabil" – angelehnt an den Projektnamen. Gemalt wurde mit den in der Graffiti-Szene äußerst populären Sprühdosen von Montana Cans, die in der Region, genauer gesagt in Haßmersheim, hergestellt werden. Firmensitz ist in Heidelberg. "Wir sind dankbar, dass die Firma die Sprühdosen gesponsert hat", so Jannis.

Die Idee für das Graffiti mit dem VW-Bus kam übrigens von einem uniformierten Beamten der JVA – und das wiederum zeigt, dass "Stabil" auch ein interdisziplinäres Gemeinschaftsprojekt von allen möglichen Zugehörigen der JVA Adelsheim ist. "Wir sind mega stolz darauf, dass wir es geschafft haben, das ganze Haus zu vereinen", freut sich Jannis. "Wir haben Künstler, Insassen, den pädagogischen Dienst und die uniformierten Beamten alle unter einen Hut bekommen. Alle haben sich an dem Projekt beteiligt."

Und damit steht "Stabil" genau für das, wofür Graffiti eigentlich stehe, sagt Jannis: "Graffiti unifies" (auf Deutsch: "Graffiti vereint"). Graffiti beziehe jeden mit ein, ganz gleich, welchem Geschlecht oder welcher Kultur man angehöre oder welche Hautfarbe man habe. Die Jungs vom Alltag abzulenken, sie auf andere Gedanken zu bringen und eine Gemeinschaft zu bilden, sei ein Ziel gewesen.

"Wichtig war uns aber auch, den Jungs den Codex in der Graffiti-Welt näherzubringen." Und dieser Codex baue auf Respekt auf. Respekt vor jedem zu haben. Graffiti sei zwar eine ziemliche Männerdomäne, doch ihm sei es wichtig gewesen, "den Jungs zu zeigen, dass das auch Frauen können". Und das habe Clara bei diesem Projekt geschafft.

Die beiden Künstler haben bereits zehn Jahre Erfahrung im Graffiti-Bereich und schon einige Workshops gegeben. In Deutschland war das Projekt in Adelsheim ihre Premiere, weitere Workshops in deutschen Schulen, Haftanstalten oder auch zum Teambuilding für Unternehmen sind geplant. Auch eine öffentliche Veranstaltung in Mosbach haben die beiden Künstler im Auge.

"Wir sind sehr dankbar, dass die JVA es uns ermöglicht hat, die gute Seite von Graffiti zu zeigen." In der Öffentlichkeit gebe es oft nur das schlechte Image, die illegale Seite von Graffiti. "Dabei gibt es in jeder Stadt Wände, an denen es erlaubt ist, Graffiti zu malen", informiert Jannis.

Wo sich die legalen Graffiti-Wände befinden, könne man im Internet finden. "Wir wollten den Jungs auch zeigen, dass Graffiti eine legale Möglichkeit sein kann, ihre Emotionen rauszulassen, wenn es ihnen später draußen schlecht geht. Eine gute Möglichkeit, statt bei Problemen wieder Drogen zu nehmen oder andere Straftaten zu begehen." Und man habe den Jungs auch zeigen wollen, dass die Graffiti-Kunst ein mögliches berufliches Standbein sein könnte. "Wir wollten ihnen zeigen: ,Hey, wenn ihr da am Ball bleibt, könnt ihr das irgendwann auch so machen wie wir.‘"

Dabei hatten die beiden nicht erwartet, dass die Jungs so interessiert an dem Ganzen seien. "Aber sie haben von Anfang an Interesse gezeigt und gut zugehört", freut sich Clara. Mit dem Thema Graffiti haben die beiden Künstler bei den jungen Gefangenen genau ins Schwarze getroffen. Selbst die Theorie und Geschichte scheint bei den Insassen auf Interesse gestoßen zu sein. "Wir haben aber schnell gemerkt: In der Pause hören die Jungs immer Hip-Hop, das ist Teil ihres Lifestyle. Und Hip-Hop ist ein Teil der Graffiti-Welt", erklärt Jannis.

"Ein Graffiti ist ein stetiger Lernprozess bis zum Masterpiece, also bis es letztlich fertig ist", sagt der Künstler. Umso begeisterter sind er und Clara von der Geduld der jungen Insassen. "Wir haben gesehen, wie sie es machen, haben sie immer wieder korrigiert und gesehen, wie sie sich verbessern. Das war faszinierend", so Clara.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: zwei tolle Graffitis und zufriedene Jungs. "Das waren die besten Tage der ganzen Haftzeit. Man konnte seine Kreativität ausleben und hat Abstand vom Knastalltag bekommen", sagt einer der Insassen im Gespräch mit der RNZ. Und ein anderer meint: "Früher hat man eher zu Drogen gegriffen, jetzt kann man das als Ventil nehmen und seine Emotionen in ein Bild reinpacken." Und die beiden Künstler hatten genauso viel Spaß, sodass sie 2025 auf jeden Fall wieder für ein Graffiti-Projekt an die JVA Adelsheim kommen wollen.

Dieser Artikel wurde geschrieben von: Dominik Rechner (Redakteur)

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